Mit virtuellen Formaten hatte die Vereinigung Abadá-Capoeira rund um den Capoeira-Meister José Tadeu Carneiro Cardoso (Mestre Camisa) während der Corona-Pandemie bereits Erfahrungen gesammelt. Schon die diesjährige Europa-Meisterschaft fand digital statt, bei der Lila Sax dos Santos Gomes, die Vorsitzende des Karlsruher Vereins, Silber in der höchsten Kategorie im Mixed-Wettbewerb gewann.
Die wenigen weltweiten Präsenzveranstaltungen innerhalb des Weltmeisterschaftsevents waren im Hinblick auf die globale Corona-Pandemie dezentral vorbildlich organisiert. In Europa fanden diese in Brüssel, Barcelona, Braga (Portugal) und Stuttgart nach einem vom Verband vorgegebenen, weltweiten Standard und unter Berücksichtigung nationaler Vorgaben statt. So trugen alle Anwesenden eine Maske, auch bei etwaigen Wettkampfspielen mit einem Präsenz-Gegenüber.
Die meisten Wettkampfteilnehmenden und das Publikum waren digital zugeschaltet. Im Unterschied zu reinen Kampfsportarten, bei denen Körperkontakt notwendig ist, kommt der Grundgedanke des Capoeiraspiels dem virtuellen Format sehr entgegen. Die beiden kämpfenden Personen treten nicht gegeneinander an, sondern spielen miteinander in einem Spiel, welches einem Dialog ähnelt. Es geht darum, anzugreifen, anzutäuschen und auszuweichen. Per Video standen sich bei den Wettkämpfen jeweils zwei Capoeiristas gegenüber – jede Person für sich zu Hause mit Kamera und Laptop. Die Jury, die aus Brasilien zugeschaltet war, bewertete die Spiele.
Mit einer Mischung aus eleganten Drehtritten, blitzschnellen Kicks, geschickten Ausweichbewegungen, beeindruckender Akrobatik – und einem gekonnten Zusammenspiel mit seinem Gegenüber auf der anderen Seite des Laptops konnte Cristiano Rozendo Dos Santos (Instrutor Café) die Jury überzeugen. Der gebürtige Brasilianer, der seit 2019 als Co-Trainer beim gemeinnützigen Verein Capoeira Karlsruhe arbeitet, spielte sich bis ins Viertelfinale. Michael Krenbauer (Instrutor Jabuti), Landesfachwart im Badischen Turner-Bund, stand mit seinem 4. Platz sogar auf dem Siegertreppchen. In seiner Masterkategorie (Baobá) traten erfahrene Capoeiristas ab 40 Jahren an, die auf eine jahrzehntelange Capoeira-Laufbahn zurückblicken können.
Krenbauer begrüßt die zahlreichen Onlineveranstaltungen im Abadá Capoeira-Verband: "Capoeira ist unter anderem die Kunst sich anzupassen und die Online-Meisterschaften sind eine gute Möglichkeit, sich der Pandemie anzupassen, eben das Beste daraus zu machen. Speziell für die Onlinewettkämpfe wurden neue Kategorien geschaffen, wie das Spielen des traditionellen Instrumentes Berimbau als Solist oder als Trio sowie ein Solo-Capoeiraspiel, um sein Können zu zeigen. Ganz nebenbei ist es noch gut fürs Klima, wenn viele Flüge nach Brasilien eingespart werden."
Bei der Weltmeisterschaft können zudem erfahrene Capoeiristas einen neuen Titel erhalten. Beginnt man mit der Kampfkunst, lernt man zunächst als Schüler oder Schülerin (Aluno/a) die Capoeira-Grundlagen. Ist man schon ein paar Jahre dabei, erhält man bei ausreichend Wissen, Erfahrung und Können die Stufe der Graduierten (Graduado/a). Lehrer oder Lehrerinnen (Instrutor/a) können schließlich eine eigene Gruppe von Schülern unterrichten.
Die Karlsruherin Lila Sax dos Santos Gomes, mehrfache Deutsche, Europa- und Weltmeisterin, erhielt bei der diesjährigen Weltmeisterschaft den neuen Titel der Professorin "Professora Lilás", einen Titel, den sie mit nur zwei weiteren weiblichen Capoeiristas in Deutschland und sogar Europa teilt. "Ich bin unglaublich glücklich über diese Anerkennung", strahlt Sax dos Santos Gomes. "Die letzten eineinhalb Jahre waren wohl für uns alle, innerhalb und außerhalb der Capoeira, sehr herausfordernd. Der neue Titel der Professora fühlt sich an wie das Versprechen, dass bald bessere Zeiten kommen."