Herzliche (wieder erlaubte) Umarmungen begleiteten das Wiedersehen der deutschlandweiten Turnfamilie. Auch wenn der individuelle Wettkampfzustand je nach Corona-Trainingsmöglichkeiten im Verein oder Land etwas variierte, traten alle Aktiven mit beeindruckenden Leistungen und unermüdlichem Kampfgeist an die Geräte und wurden aufmunternd beklatscht. Den Anfang machten am Samstagmorgen die "reiferen" Jahrgänge: Klaus Geiger (TV Istein) zog seinen Wettkampf in der AK 75 sauber und sicher durch – Gold! Jürgen Fischer (TV Britzingen) zeigte in der Konkurrenz AK 70+ die beste Bodenkür und freute sich über Bronze. Gewohnt souverän, mit durch Schwierigkeiten gespickte Übungen glänzend, zog Dagmar Rothardt (TV Oberhausen) Gegnerinnen und Kari in ihren Bann – Gold! Patrick Hauns (TV Iffezheim), AK 55+, überzeugte einmal mehr durch solide Übungen in guter Haltung – Gold!
Am frühes Sonntagmorgen angereist, zeigte sich Dirk Walterspacher (TV Oberndorf ) in der AK 45+ fit und turnte der Konkurrenz davon – Gold! Dahinter erturnten weitere badische Athleten Medaillen oder rundeten durch gute Platzierungen den Auftritt für das Ländle ab. Große Freude gab es für Matthias Völker (SpVgg Ottenau), der mit den besten Küren am Boden und Barren am Ende Silber erturnte.
Am stärksten umkämpft waren die Titel in den jüngsten Altersklassen. Die "jüngsten alten" Damen der AK 30+ drängelten sich in einem großen Starterfeld von 25 Turnerinnen um den Sieg. Sie verblüfften durch teils spektakuläre, aber immer saubere und schwierige Übungen. Bravourös, vom Badenteam auf der Tribüne beklatscht, turnte sich Charlotte Knab (TV Bühl) auf den Bronzeplatz, Sabine Storz (PTSV Freiburg) haderte mit dem ein oder anderen Element, behauptete sich aber auf Platz 5 und kann 2023 in Pirna wieder in den Titelkampf eingreifen.
Auch das Niveau der AK 35+ steigt ständig. Nach der Verletzung der Titelverteidigerin Sabine Gaißer (Heidelberger TV) war der Weg frei für Juliane Veit (TuS Köln-Ehrenfeld), die mit beinahe vier Punkten Vorsprung und bundesligatauglichen Übungen siegte. Dahinter ging es sehr knapp zu. Unsere Kerstin Pfirrmann (TG Eggenstein) und Christine Keller (SG Heidelberg-Kirchheim) turnten solide und sauber, konnten als Fünfte und Sechste ihre Ehrungen entgegennehmen. Überhaupt hatte der rührige und engagierte TV Markkleeberg die tolle Idee, mit Blümchen, teils Geschenken, mal die Viertplatzierten der "Holzklasse" zu ehren, dazu Geburtstagskinder, Aktive und Kampfrichterinnen und Kampfrichter mit runden Einsatzzahlen oder sonstigem Engagement. Weiter so!
Die weiteren Platzierungen badischer Aktiver sind: 17. Lorena Cornelius (TV Oberhausen / W 30+), 9. Iwona Baumgärtner (Heidelberger TV / W 45+), 7. Petra Ruggaber (TV Güttingen / W 55+), 8. Dagmar Rühl (Heidelberger TV / W 55+), 11. Tobias Schwendemann (TV Zell a.H. / M 40+), 7. Frank Brauhardt (TV Kollnau-Gutach / M 55+).
Zu den Gratulanten gehörte einmal mehr die inzwischen 96-jährige Johanna Quaas (SG Halle-Neustadt), die nach einem Oberschenkelhalsbruch, selbstverständlich dank eigenen Fitnessprogramms, wieder auf die Beine kam. Zweiter Gratulant war der 79-jährige Dr. Matthias Brehme, Lokalmathador aus Markkleeberg und mehrfacher Medaillengewinner für die DDR bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften. Der Turngeist der gesamten Region war spürbar, so konnte man die Neuerscheinung: "Leipzig – Deutschlands erfolgreichste Turn- und Sportfeststadt" erwerben und vom Autoren Detlev Schröder handsignieren lassen.
Das badische Seniorenteam, welches spätestens seit den Gastauftritten zur TurnGala 2018/19 ein herzliches Verhältnis und enge Verbindungen hält, fand sich vereinsübergreifend zu einem feierlichen Abendessen zusammen. Zwei Wermutstropfen dieses ansonsten rundum gelungenen Wochenendes sollen auch genannt sein: Erstens: Von offizieller Seite wurde dem örtlichen TV Markkleeberg eine Abendveranstaltung (oder wenigstens ein Essen) untersagt. Dabei sind die Coronaregeln gelockert, es hätte auch eine Freiluftvariante geben können. So nimmt man dem Verein auch die Möglichkeit, durch Einnahmen den ungeheuren Aufwand und das Engagement der Vereinsmitglieder finanziell auszugleichen. Zweitens: Nachdem einige gestandene Turnerinnen von 40, 50 oder 60 Jahren mit Tränen in den Augen nach ihren augenscheinlich ohne riesen Patzer und Stürzen gezeigten soliden Übungen die E-Abzüge von mehr als drei, vier oder gar fünf Punkten zur Kenntnis nehmen mussten, sollte einmal mehr die Wertungspraxis bei Seniorenwettkämpfen hinterfragt werden. Ein Blick in die Ergebnislisten zeigt – es gab mit zwei, drei Ausnahmen nicht eine Übung, die weniger als einen Punkt Abzug erhielt – woher der fehlende Mut, bei tollen Übungen auch mal das Routinezehnten wegzulassen und volle Punktzahl geben? Kreativität, Ausstrahlung = ein Bonuszehntel. Wir alle turnen ein halbes Menschenleben oder mehr, haben Spaß daran, gönnen den Besten den Sieg. Leute, was soll das? Wollen wir frustrierte Turnerinnen, die mit 50, 60, 70 Jahren endgültig das Handtuch schmeißen, da sie nun bestätigt bekommen – sie sollen es lieber lassen?
Wir wollen turnen – und freuen uns an dem, was wir noch können – erfreuen damit die Zuschauerinnen und Zuschauer und bei den Baden-Württembergischen Meisterschaften beim Landesturnfest in Lahr dann auch die Kampfrichterinnen und Kampfrichter. In diesem Sinne noch einmal herzliche Gratulation an alle Sieger, Siegerinnen und Platzierte – auf ein herzliches Wiedersehen in Lahr, dem Mannschaftspokal der Länder im Herbst in Strausberg oder den nächsten Einzelmeisterschaften in einem Jahr in Pirna (Sachsen).