"Für die Vereine ist es eine sehr schöne Möglichkeit, ihre Solidarität und Unterstützung zu zeigen", so Nicolas Windelband, Ansprechpartner Verbandsbereich olympischer Spitzensport in der BTB-Geschäftsstelle. Die Flüchtlinge aufzunehmen, sei absolut lobenswert. So könne den Sportlern ein möglichst geregelter und den Umständen entsprechend normaler Ablauf geboten werden: "Sie werden von ihrem Alltag mit der extremen psychischen Belastung kurzzeitig ‚befreit‘ und können ein wenig abschalten."
Die aus der Ukraine stammende Christina kam am 11. März nach Deutschland, nachdem sie an der polnischen Grenze von ihrem in Deutschland lebenden Onkel abgeholt und nach Karlsruhe gebracht wurde. Ihrem Vater und Bruder ist die Ausreise aus der Ukraine nicht gestattet, ihre Mutter ist ebenfalls in der Ukraine zurückgeblieben. Mit ihren Freunden hat sie nur noch digitalen Kontakt und ihren Schulabschluss wird sie nun online absolvieren. Trotz all‘ dieser Umstände fühle die 16-Jährige sich sehr wohl beim SSC. "Alle haben mich sehr herzlich empfangen und die Mädchen sind sehr freundlich. Ich habe endlich wieder die Möglichkeit, meiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Das Schwierigste im Training ist für mich, die Sprache zu verstehen, wenn die Mädchen miteinander reden, weil sie sehr schnell und lückenlos sprechen."
Auch Anja Engster, RSG-Cheftrainerin beim SSC Karlsruhe, thematisiert die sprachlichen Barrieren: "Wir verständigen uns auf Englisch; am Anfang war es zögerlich von beiden Seiten. Jetzt wird es aber immer besser." Die größte Herausforderung sei jedoch, trotz mehr Mädchen und damit weniger Platz in der Halle, jeder Sportlerin gerecht zu werden und das Optimale herauszuholen.
Der Ablauf des RSG-Trainings beim SSC habe sich dennoch nicht sonderlich verändert. "Da wir mitten in der Wettkampfsaison sind, bereiten sich unsere Mädels nach wie vor für die anstehenden Wettkämpfe vor. Die ukrainischen Gymnastinnen integrieren sich daher in unser Training. Gleichzeitig ist es trotzdem interessant zu sehen, wie ihr Training gestaltet wird, und es motiviert unsere Mädels, neue Sachen auszuprobieren", so Anja Engster.
Auch Nicolas Windelband betont die einhergehenden Vorteile: "Die deutschen Athleten haben nun die Gelegenheit, über ihren eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Ein Vergleich mit Sportlern aus einer anderen Nation erfolgt. Außerdem trägt die Völkerverständigung zur Sozialisation bei." Nichtsdestotrotz fehlen die finanziellen und personellen Kapazitäten der Vereine. "Bis dato gibt es diesbezüglich seitens Bund und Land noch keine fest eingeplanten Finanzmittel. Die infrastrukturellen Gegebenheiten der Vereine sind ebenfalls begrenzt und auch im bürokratischen Bereich kommt es zu kleinen Herausforderungen. All das spricht dennoch nicht dagegen, die ukrainischen Sportler aufzunehmen. Die Vereine versuchen, die Situation so gut es geht zu meistern."