Der Badische Turner-Bund auf den Spuren von Turnvater Jahn

Vom 4. bis 6. Oktober 2019 veranstaltete der Bereichsvorstand Überfachliche Aufgaben des Badischen Turner-Bundes eine Studienfahrt nach Freyburg an der Unstrut (in Sachsen-Anhalt). Sie sollte Gelegenheit geben, auf den Spuren des Turnvaters Jahn zu wandeln und dabei verschiedene Sehenswürdigkeiten zu erleben. Am Abfahrtstag hatten sich 22 Teilnehmer aus dem ganzen Badnerland eingefunden, darunter auch unser Präsident Gerhard Mengesdorf sowie die Ehrenmitglieder Traudel Bothor und Siegfried Michel.

Zwei sehenswerte historische Stätten in Freyburg: Jahn-Museum (oben) und Ehrenhalle (unten)

Besuch Sektkellerei Rotkäppchen (oben) und Naumburger Dom (unten)

Arche Nebra

Burg Querfurt

Naumburger Dom (Fotos: B. Brandel)

Auf der Hinreise wurde zunächst in Naumburg an der Saale angehalten und der Dom besichtigt. Mit Kreuzgang, Domgarten und den umliegenden Kuriengebäuden bildet er eines der herausragenden Architektenensembles in Mitteldeutschland. Weltbekannt ist der spätromanisch-frühgotische Dom vor allem wegen der Arbeiten des sogenannten Naumburger Meisters, der die Stifterfiguren des Westchors, darunter Ekkehard und Uta von Naumburg, sowie den Westlettner mit dem Passionsrelief schuf. Nach diesem Kunstgenuss reisten wir weiter nach Querfurt, wo wir im Hotel bereits erwartet wurden. Nach dem Abendessen klang der erste Reisetag mit einem gemütlichen Beisammensein aus.

Am nächsten Morgen ging es dann nach Freyburg an der Unstrut, wo wir die wichtigsten turnhistorischen Stätten besuchen sollten. In Freyburg verbrachte “Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852) seine letzten 16 Lebensjahre. Der Bus brachte uns zunächst zu Jahns früherem Wohnhaus, welches heute das Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum beherbergt. Im Ehrenhof des Hauses befindet sich sein Grab. Vor dem Museum begrüßte uns die Museumsleiterin Manuela Dietz und gab uns erste Informationen zur Baugeschichte des 1838/39 erbauten Hauses. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto führte uns Manuela Dietz durch das Museum. Das Museum wird heute von der Jahn-Gesellschaft getragen. Diese Gesellschaft widmet sich dem Ziel, das Leben und Wirken des Gründers der Turnbewegung in Deutschland und seines Umfeldes zu erforschen, seine Be-deutung in Geschichte und Gegenwart zu interpretieren und sein Erbe zu bewahren. Jedes Mitglied trägt damit zur Pflege und Erforschung des Jahnschen Erbes bei.

Die Dauerausstellung im Museum dokumentiert das Leben Friedrich Ludwig Jahns und würdigt seine Bedeutung für die Entwicklung der Turnbewegung in Deutschland. Dabei wird Jahn als Mensch in seiner Zeit und der in ihr vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse gezeigt, auch mit seinen charakterlichen Eigenheiten und seinen zeitgebundenen Anschauungen und Äußerungen. Diese Betrachtung des “ganzen Jahn“ mit all seinen Vorzügen, Leistungen und Zielen, aber auch mit all seinen menschlichen Schwächen, Misserfolgen, Enttäuschungen und Konflikten zieht sich durch alle Ausstellungskomplexe: “Schöpfer des deutschen Turnens“, “Persönliches Leben und Familie“, “Publizist und Patriot“ sowie “Reformer – Revolutionär? Deutschtümler – Deutscher?“.

Die Ausstellung zeigt auch die zwiespältige Person Ludwig Jahns. Er initiierte einerseits die deutsche Turnbewegung als Wehrertüchtigung, um die deutsche Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besatzung vorzubereiten. Andererseits vermittelte er seinen Turnern demokratische Spielregeln. Bei ihm gab es keine Standesunterschiede. Er erfand neue Übungen und verfasste erste Trainingsbücher für das Turnen. Dieses umfasste nicht nur das Gerätturnen, sondern auch weitere Bewegungsformen aus der heutigen Leichtathletik, dem Schwimmen und dem Fechten. Jahn war auch ein sehr politischer Mensch. In seinen Schriften trat er wiederholt für ein freies und geeintes Deutschland ein. Diese Gesinnung musste er mit Gefängnisaufenthalt und dem zeitweiligen Verbot der Turnbewegung bezahlen. Erst 1840 wurde er rehabilitiert.

Dies und noch viel mehr über Ludwig Jahn erfuhren wir bei einer glänzenden und fachkundigen Führung von Manuela Dietz. Es war deutlich zu spüren, mit welcher Begeisterung sie ihre Aufgabe wahrnimmt und dass sie wirklich “für die Sache brennt“. Das Jahnmuseum sollte man gesehen haben!

Nach der Besichtigung konnten sich die Teilnehmer im Museumskeller bei einem Glas Sekt etwas stärken. Währenddessen nutzte unser Ressortleiter für Turngeschichte und Kultur Dr. Cornelius Gorka die Gelegenheit, sich das Jahnarchiv im Obergeschoss zeigen zu lassen. Das Archiv umfasst Schriften aus dem Nachlass Ludwig Jahns sowie weiteres historisches Schriftgut zur Turnbewegung. Zu den Beständen gehören auch eine Fahnensammlung und eine Bibliothek. Derzeit arbeiten Manuela Dietz und ihr Team am Aufbau einer Museumsdatenbank. Die Archivalien werden dabei inventarisiert und fachgerecht in den Magazinräumen verwahrt. Von den meisten Schriften sollen digitale Kopien hergestellt werden, um sie leichter nutzen und auswerten zu können. Außerdem sollen die (teilweise sehr empfindlichen) Originale geschont werden. Langfristig will Manuela Dietz die Sammlung über das BAM-Portal sowie Digikult online zur Verfügung stellen. Alle Maßnahmen zur Konservierung und Digitalisierung der Archivbestände sind natürlich mit Kosten verbunden, die von der Jahngesellschaft nicht allein getragen werden können. Deshalb beteiligen sich der DTB und die meisten Landesturnverbände (darunter auch der Badische Turner-Bund) mit Zuschüssen an der Finanzierung von Archiv und Museum. Es kann bestätigt werden, dass Manuela Dietz und ihr Team gute Arbeit leisten und die Gelder sinnvoll angelegt sind.

An die Besichtigung des Jahnmuseums schloss sich die Besichtigung der übrigen Jahngedenkstätten in Freyburg an: Die historische Ehrenhalle (eingeweiht 1903) diente ursprünglich als Museum und wird heute zur Durchführung festlicher Veranstaltungen und wissenschaftlicher Tagungen genutzt. Die Ehrenhalle ist außerdem Erinnerungsstätte der Deutschen Turnfeste (seit 1860). Bleiverglaste Fenster erinnern an die bisherigen Turnfeststädte. Die benachbarte Erinnerungsturnhalle (erbaut 1894) ist die älteste Turnhalle Deutschlands, die noch in Betrieb ist. Die Teilnehmer nahmen viele neue Erkenntnisse über die Geschichte der Turnbewegung mit, so dass der Besuch der Jahnstätten für alle ein persönlicher Gewinn war.

Nach so viel Turngeschichte warteten nun mit dem Besuch der berühmten Sektkellerei Rotkäppchen andere Genüsse auf uns. Eine fachkundige Mitarbeiterin führte uns durch die historischen Kelleranlagen und erläuterte die verschiedenen Stufen der Sektherstellung. Im Rüttelkeller lernten wir das Verfahren der traditionellen Flaschengärung kennen und genossen am Ende der Tour ein Glas prickelnden Sekt.

Wir stärkten uns anschließend bei einem feinen Mittagessen und fuhren dann weiter zum Besucherzentrum “Arche Nebra“, dem Fundort der berühmten bronzezeitlichen Himmelsscheibe Nebra. Bei einer 2,5-stündigen geführten Tour durch die Dauerpräsentation und das Planetarium sowie an den Fundort der Himmelsscheibe erfuhren wir einiges über deren Herkunft und Verwendung. Schließlich reisten wir nach den vielen Eindrücken des Tages wieder zurück zum Hotel. Der Tag endete mit dem Abendessen und geselliger Unterhaltung.

Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen. Doch bevor wir die Heimreise antraten, besichtigten wir noch die Burg Querfurt. Sie ist eine der besterhaltensten Burganlagen in Deutschland und dient deshalb immer wieder auch als Kulisse für Filmproduktionen. Das weitläufige Burggelände ist siebenmal größer als die Wartburg und beherbergt drei mächtige Türme aus frühmittelalterlicher Zeit sowie Kanonenbastionen, unterirdische Gänge und unüberwindbare Burggräben. Eine Burgführerin zeigte uns das Gelände und bestieg mit uns den höchsten Burgturm. Danach ging es auf belebten Autobahnen wieder zurück nach Karlsruhe.

Insgesamt war die Reise für alle Teilnehmer ein Erlebnis. Alle besuchten Ziele lagen nahe beieinander, so dass wir in drei Tagen sehr viele Sehenswürdigkeiten besuchen konnten. Im Mittelpunkt der Reise standen zwar die Jahnstätten, doch wurden auch noch andere geschichtsträchtige Orte besucht, so dass alle von der Reise etwas mitnehmen konnten. Auch die Stimmung in der Reisegruppe war sehr harmonisch. Lediglich das Wetter war nicht so gut, aber das lag nicht in unserer Macht. Der Badische Turner-Bund bedankt sich bei Jörg Wontorra und Michael Steiger für die gute Vorbereitung der Reise sowie dem Busfahrer Stefan Kirchmayer für die freundliche und sichere Fahrt.